„Stress“ bei Pferden

Den sogenannten „Stress“ bei Pferden möchte ich heute etwas deutlicher erläutern. Da mich so viele Themen rund um unsere geliebten Vierbeiner beschäftigen, kommt vor allem aber das Thema Stress im Pferdetraining regelmässig zur Diskussion. Wie lernt dein Pferd? Wie verarbeitet es Stress? Was ist Stress für das Pferd überhaupt? Wann kommt es dazu und was sind die Anzeichen für Stress?

Lernverhalten beim Pferd

Ein Lernprozess, das lernen selbst findet die ganze Zeit statt. Bei allen äusseren Einflüssen lernen Pferde. Oft hören wir „faul“ „zickig“ oder „der macht das mit Absicht“. Diese Aussagen sind jedoch falsch. Ein Pferd reagiert immer, weil es einen Beweggrund dafür hat. Weshalb reagieren sie so? Weil sie gelernt haben, auf gewisse Situationen zu reagieren. Pferde haben auch ein extrem gutes Schmerzgedächtnis. Wenn es also zu Verladeproblemen oder Problemen im Umgang und der Nutzung kommt, ist dies immer aus einem bestimmten Grund. Ist z.B. das Training in das wir fahren mit etwas Negativem verbunden, wurde das Pferd falsch verstanden beim Hufe geben und es wurde am Strick „gerüttelt“ um es sanft auszudrücken, möchte das Pferd lieber auf der Weide mit seinen Freunden sein als das eintönige longieren, … all das können Gründe sein, weshalb ein Pferd ein gewisses Verhalten zeigt. In diesem Moment lohnt es sich für das Pferd nicht, etwas für uns Menschen zu tun, weil es gelernt hat, dass es unangenehm werden kann, Schmerz auslösen kann, Stress auslösen kann.

Es gibt bei Pferden das angeborene Verhalten (Gene) z.B. der Fluchtreflex und das erlernte Verhalten (Alltag) z.B. das Scharren beim Anbindeplatz. Hier sind ganz klar Verhaltensauffälligkeiten abzugrenzen. Wie zum Beispiel das Koppen, welches immernoch zum Teil mit „Langeweile“ begründet wird, ganz klar ein Zeichen von „Stress“ im Organismus ist. Die Ursachen können bei diesen Verhaltensauffälligkeiten sehr vielseitig und oftmals nicht sofort erkennbar sein. Hier sollte immer nach der Ursache gesucht werden.

Wichtig ist aber auch, unsere Pferde lernen nicht in Stresssituationen. Und auch hier muss man das Thema „Stress“ definieren. Grundsätzlich gilt, dass wenn das lernen beim Pferd stattgefunden hat, tritt eine dauerhafte Änderung des Verhaltens ein. Ist dies nicht der Fall, hat das Pferd nicht oder noch nicht gelernt. Hier sind dann immer die Gründe (wenn gesundheitliche Probleme ausgeschlossen werden können) bei uns Menschen zu suchen. Müssen wir einen Schritt zurück gehen, üben wir zu festen Druck aus (dies kann auch nur mit körperlicher Präsenz ausgelöst werden) oder ist das Pferd vielleicht in einer Stresssituation und wir erkennen es nicht?

Stress

Unter Stress verstehen wir als Mensch oftmals eine deutliche Verhaltensveränderung beim Pferd. Stress beim Pferd kann aber auch schon durch folgende kleine Anzeichen erkennbar sein:

Gestik / Mimik

  • lecken
  • abkauen
  • erhöhter Kopf
  • sich (den Stress ab-) schütteln
  • aufgeblähte, verengte oder gerümpfte Nüstern
  • zusammengebissene Zähne, angespannte Kaumuskulatur
  • Zähneknirschen
  • Ohren seitwärts (in Zusammenhang der restlichen Gestik/Mimik)
  • Ohren angelegt
  • Kopfschlagen
  • abschnauben
  • schweifschlagen
  • erregte Schweifhaltung
  • beissen

und dann natürlich die „klassischen“ weiteren Aggressions- und Fluchtverhalten.

Ist das Stresslevel zu hoch, schüttet der Organismus Adrenalin und Cortisol aus. Bei Stress gibt es dann vier Konfliktlösungen des Pferdes:

  • Fight (Angriff)
  • Flirt (soziale Kommunikation)
  • Flight (Flucht)
  • Freeze (Erstarren)

Diese Strategien erleben viele Pferdebesitzer tag täglich. Wichtig ist zu wissen, wie wir damit umgehen können.

Ein Beispiel:

Das Pferd ist in der Halle und erschreckt immer an der selben Stelle. Mögliche Ursachen hierfür können sein:

  • eine Wasserleitung die aussen an der Halle für das Pferd (nicht unbedingt für uns) zu hören ist
  • Einflüsse von aussen (z.B. Fussgänger, andere Tiere, Regen, Wind, …)
  • Unsicherheit des Menschen (Körperspannung und Atmung beeinflussen das Pferd sehr stark)
  • in einem Training zuvor wurde etwas (für das Pferd) negatives erlebt (z.B. ein Ruck am Zügel)
  • Schmerz
  • Angst
  • mangelndes Vertrauen zum Menschen

Und auch hier ist wieder wichtig, dass wir als Mensch uns richtig verhalten. Welche Ziele möchten wir uns in solch einer „Problemsituation“ setzen? Diese sollten klar davor definiert werden. Sind wir selbst sicher/selbstbewusst genug um mit der Situation umgehen zu können? Wie bewegen wir uns, wie atmen wir?

In solchen Situationen, bei dem das Pferd schon erste Anzeichen von Stress zeigt wie zum Beispiel erhöhte Kopfhaltung, leicht aufgestellter Schweif, Nüstern sind vergrössert oder die Atmung wird oberflächlich, müssen wir sofort reagieren und den Stress herausnehmen. Denn jeder weitere Schritt in Richtung Druck gegenüber dem Pferd ausüben, führt meist zu keiner positiven Lösung. Statt das Pferd mit den Schenkeln und der Gerte frontal in die „böse Ecke“ zu drücken atmet man lieber nochmals tief durch, achtet auf seine Körperspannung und geht ohne die Ecke zu fest zu fokussieren an der Ecke langsam und mit genügend Abstand vorbei. In diesem Moment geben wir unseren Pferd die Sicherheit „es passiert nichts, alles ist gut“. mit positiver Verstärkung, dies kann ein Stimmlob, ein Streicheln, ein Leckerli sein geben wir dem Pferd ein Zeichen, dass es keine Angst haben muss. Wenn wir jedoch mit Druck und grobem Verhalten reagieren erreichen wir meistens nur das Gegenteil. Der Lösungsansatz sollte immer pferdefreundlich sein und klar kommuniziert werden, so dass das Pferd auch versteht, was wir möchten. Hierbei geht es definitiv nicht um „ranghöher, Alphatier, durchdominieren“ sondern darum, dass Pferde uns respektieren, akzeptieren und lernen sich auf uns zu verlassen. Und dies gelingt auch ohne Gewalt und Druck. Denn einem Pferd beizubringen auf Druck zu weichen, ist für uns Menschen immer die einfachste Lösung, sind wir Menschen doch mit unserer Geduld auch immer sehr schnell am Ende.

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